Über das Jahr und durch die Zeit  Info-Literatur

Über das Jahr und durch die Zeit 

Exposé zum Roman

Geschrieben 2003/04 in Hamburg

Der Titel ist Programm. Die Ereignisse im Laufe eines Jahres verweben sich mit den Ereignissen aus einem Menschenleben. Aufbrüche bestimmen die Geschichte, die Geschichte einer Menschwerdung.
Der Roman gliedert sich in vier Bücher. Vier, die materielle Ordnungszahl. Die Kapitel der vier Bücher laufen durchgängig von A bis Z. Sinnbild dafür, dass das Ganze zusammengehört und zugleich Schrift ist, keine Vortäuschung von Wirklichkeit.

Buch Eins – Eine Geschichte vom Pferd

Frank, ein Künstler, erzählt auf das Verlangen seiner Tochter von früher, von seiner Kindheit auf dem Schiff und Geschichten vom Pferd.
Ein Buchhändler hält Pferde. Aus einem seiner Pferde tritt eines Tages märchengleich ein Mann hervor, als sei er in der Pferdegestalt gefangen gewesen. Frei nach dem Motto von Edmond Jabès, meine Zukunft ist meine Herkunft, macht sich der Mann auf den Weg zu seiner Herkunft, zum Schiff. Auf dem Schiff, seinem Ort, vollzieht sich die Trennung von seiner Frau. Er bezieht eine Kabine, von der aus er in der Imagination überall dorthin reist, wo er einmal zu Hause gewesen ist: Heimatort, Paris, aber auch Berlin. Die Reisen sind zugleich Suche nach seinem Platz in der Welt. Wie die wiedererwachte Liebe zweier Menschen das Zeichen für die umstehenden Mörder ist, in Aktion zu treten, wird er verhaftet, als er schließlich nach Hause kommt.
Zuletzt schenkt Frank, der Erzähler der Geschichte, dem Mann eines seiner Kunstwerke, das sowohl Zelt als auch Schiff darstellt, Bild für das Nomadentum des Protagonisten. Abermals bricht er, jetzt mit dem Zug, zu einer langen Reise auf. Auf seinem Heimweg, begegnet er einem Reiter, der auf dem Rücken des Pferdes ein Buch liest. Im Reiten erkennt er die Entsprechung, sein eigenes Leben zu beginnen.

Buch Zwei – In Fleisch und Blut

Ausgangssituation der Geschichte ist ein Zahnarztbesuch. Während das Geschwür am Zahnfleisch entfernt wird, zeigt sich das, was der Protagonist in Fleisch und Blut hat: Nomadentum. In Berlin mit dem Buchhändler in einer Wohnung zusammenlebend, kulminieren die Erinnerungen an das Pariser Hausboot und die dortige Unruhe, an das Elternhaus und den Tod der Mutter, an die Schwäbische Kleinstadt und das Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin im Verlangen, abermals auf eine Reise zu gehen. Er setzt die in Buch Eins begonnene Zugfahrt fort. An einem Berliner Umsteigebahnhof begegnet er einem Mann, der zwei Bücher geschrieben hat. In einer Bibliothek findet er die Bücher und steckt sie ein. Das Lesen beider Bücher findet seine Entsprechung in seiner Weiterfahrt in den Süden.

Buch Drei – Wie ich die Frauen liebte

Ein Zwischenhalt in Raum und Zeit. Im Süden Frankreichs macht der Protagonist mit Frank, dem Künstler, in einer Kleinstadt Halt, der Unendlichkeit des Meeres gegenüber. Auf der Suche nach seinem Platz in der Welt wird der Ort zum Gefängnis der Vergangenheit. In der Fremde suchen ihn Erinnerungen heim, Konflikte mit dem Vater aufgrund beider unterschiedlichen Lebensweise, Aspekte der Gewalt tauchen auf, Erinnerungen an seine Lebensgefährtin, ihrer beider Kinderlosigkeit und die Unmöglichkeit der Heirat, Erinnerungen an Erlebnisse auf dem Rheinschiff. Wenn das Warten auf die Weiterfahrt für den Protagonisten auch schwer zu ertragen ist, nützt er den Zwischenhalt doch zu Rast und Reinigung. Wie sich das Vergangene immer vor einem in der Zukunft befindet, macht er sich eines Tages mit einer Theatergruppe auf den Weg nach Paris. Dort, wo er einmal gelebt hat, setzt die Dramaturgie des Fehlenden ein. Heute fehlt dort die Frau, mit der er früher zusammen gelebt hat. Heute fehlt dort der, der er einmal gewesen ist. Seine Suche nach dem Fehlenden führt ihn zu sich selbst und zugleich zu seiner Lebensgefährtin. Beide fliegen gemeinsam in die vermeintlich Neue Welt. Frei nach dem Motto von Edmond Jabès, Was zählt, ist der Aufbruch; denn der Ort der Ankunft ist stets derselbe Ort, nur verlagert, stellt sich die Neue Welt als Alte Welt heraus, Paris, wo er damals wie heute auf einem Hausboot lebt.

Buch Vier – La Paz oder Die Kunst der Wirklichkeit

Am Anfang steigt ein Flugzeug auf. Zeichen für den Protagonisten, noch längst nicht dort zu sein, wohin er möchte. Er mustert vom Hausboot ab und reist weiter mit einem Küstenrutscher. Nach dem Motto von Louise Bourgeois, Kunst ist ein Versuch der Befreiung, welche man niemals erreicht, gelangt er auf Umwegen nach La Paz. Die Ankunft am Ziel seiner Wünsche ist zugleich der Kulminationspunkt seiner Erkenntnis, Gefangener seiner Vergangenheit zu sein. Hier erfährt er, dass sich sein bisheriges Leben um Menschen drehte, die nur Ablehnung und Gewalt von der Gesellschaft erfahren haben. Das ist der Tag, an dem er beginnt, sich die Freiheit selbst mit Gewalt zu nehmen. Das Motiv der Befreiung findet an diesem Punkt eine gesellschaftspolitische Dimension. Er beginnt, sich von den Fesseln alter Zwänge zu befreien, zu verändern. „Ewigen Wandel unterworfen, können wir uns auf nichts berufen, an nichts halten, was wir einmal waren“, sagt er an einer Stelle. So erfährt auch das Motiv der Befreiung eine Veränderung: Die Emanzipation seiner Frau befreit auch den Protagonisten. Nach einigen vergeblichen Versuchen fliegt das Flugzeug wieder ab, das zu Beginn gestartet ist, mit einem anderen Ziel.
 
Das Spielerische bestimmt die Form des Romans. Entsprechend dem Inhalt – Nomadentum und ewiger Wandel – , verläuft auch die Entwicklung der Geschichte nicht linear, sondern mäandert in ständig verändernden Windungen.
 
Der gesamte Roman umfasst 370 Seiten.