Die Befragung Info-Literatur

Die Befragung

Exposé zum Roman

Ein Segelboot läuft eine Insel an. Die Besatzung geht von Bord, das unbekannte Terrain zu erkunden und seine Bodenbeschaffenheit zu erforschen. Nach dem ersten Bild zu urteilen, könnte DIE BEFRAGUNG die Geschichte einer Schiffsreise sein, der Roman ist jedoch weitaus vielschichtiger.
Eine Ebene. Menschen zu befragen und ihnen zuzuhören, ist die wesentliche Arbeit eines Radiojournalisten. Der Protagonist befragt Berühmte und Unbekannte nach ihrem Leben, ihren Erfahrungen, Krankheiten und Ansichten, ihren Handlungen und Motiven, aber auch nach der Rolle der Medien. DIE BEFRAGUNG ist zugleich auch die Selbstbefragung des Ich-Erzählers. Antwort für Antwort ergeben Absatz für Absatz des Romans. Alles in allem ein großes Experiment.
Die andere Ebene, das Thema klingt im Bild der Insel und in den Fragen an, ist die Erkundung von dem, was Heimat ist. Ein großer Teil des Romans mutet wie die Beschreibung von Hölderlins Gedicht Heimath an. Aus der Ferne gestaltete der Dichter Heimat als Ort der Sehnsucht und der Geborgenheit.

Der Radiojournalist und andere Figuren des Ich-Erzählers suchen auf imaginären Reisen Orte auf, die einmal Heimat gewesen sind: in Baden, Berlin, Paris oder auch in den USA, Elternhaus und Binnenschiff der Kindheit, Hamburger Wohnungen, in denen der Protagonist mit Frau und Kind gelebt hat.

Wieso kehrt man in die Vergangenheit, gar in die Kindheit zurück? Weil sich dort Dinge manifestiert haben. Angst, Schock und Not. Man hofft, sie durch die Wiederholung zu überwinden und sich zu befreien. Hier fängt die Schwierigkeit aber an. Man kann nicht einfach so in die Vergangenheit zurück, sie ist ja nicht geblieben, wie man sie verlassen hat. Im Leben ist alles in ständiger Bewegung, selbst die Vergangenheit ist nicht vergangen. Dennoch stellt man fest: Man hat Geborgenheit aber auch Verletzungen in jener Zeit erlebt. Und: Es ist im Heute noch viel Trauerarbeit zu leisten.

Auf einer dritten Ebene ist der Roman eine Trennungsgeschichte: Der Ich-Erzähler hat sich schon vor vielen Jahren mit der Lebensgefährtin entzweit. Im Laufe der Geschichte tritt mehr und mehr der Grund für sein Verstummen und seinen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung zu Tage. Die frühe Abtreibung. Durch die Auseinandersetzung mit seiner Schuld kommt es zu einer erneuten Annäherung an die Lebensgefährtin. Für Momente erwacht die Liebe wieder. Wenigstens in der Fiktion.

Auf einer weiteren Ebene ist DIE BEFRAGUNG also ein Liebes- aber auch ein Künstlerroman. Möglich ist, dass all die Ereignisse bereits geschrieben stehen. Wie jedes Buch der Versuch der Wiedergabe dieses einen universellen Buches ist, findet der Ich-Erzähler in einer Holzkiste voller Bücher des Heimatdichters das eine, das von der Liebe handelt.

So werden Bücher, wie das über die Liebe, Gedichte wie das von Hölderlin, Plakate, Fotografien und Kunstwerke mit all ihren Motiven zu Gegenständen der Beschreibung, anders gesagt, zum Schlüssel des Ich-Erzählers für sein Schreiben. Beispielhaft ist auf einem Gemälde der Schriftzug zu lesen: IS THE ART PASSÉ? NO, IT GOES OTHER WAYS.

DIE BEFRAGUNG ist ein „rebellischer Roman“. Nicht nur inhaltlich, auch formal widersetzt es sich den Gewohnheiten. Der Text gleicht der Folge von Körperbewegungen, die der Ich-Erzähler für eine bestimmte Langform des Taiji macht, wohlgemerkt zur Rhythm & Blues Musik. Folglich ist DIE BEFRAGUNG teilweise ein langes Saxophonsolo.

Entsprechend der Hauptfigur des Radiojournalisten wird im Roman eine Schnitt- und Montagetechnik angewandt. In der Art der früheren analogen Technik werden Tonbänder voller Aufnahmen vor und zurück gespult, geschilderte Ereignisse in eine andere zeitliche Abfolge gesetzt.
Ebenso betreibt der Ich-Erzähler jedoch auch die Kunst der digitalen Entstehung. Vieles ist heute reproduzierbar, aber der Lebenslauf des Ich-Erzählers eben nicht, der kommt in jedem Text in einer immer anders digital verschlüsselten Sprache voller Zeichen hervor, die es zu entziffern gilt… So entsteht ein Stück authentischer Literatur und zugleich ein heutiges Gesellschaftsbild.

Der Roman gliedert sich in 5 Bücher und hat ca. 450 Seiten.