Verloren – Eine Klage Info-Literatur

Verloren – Eine Klage

Exposé zum Roman

Hamburg, 2003
 
Ausbleibende Aufträge rufen bei einem Hörfunkautor, dem Ich-Erzähler, Existenzängste hervor. Im Haus einer alten Frau, wo er im noblen Hamburger Westen sein Büro hat, gibt es jedoch Bereiche, in denen Leute aus seiner Vergangenheit wohnen. Im Lauf seiner Krise treten sie aus der Vergessenheit hervor und nomadisieren durch das Haus sowie durch sein Bewusstsein.
Der Protagonist zieht den Stoff seiner Geschichte aus dem Wasser der Erinnerung, wie sein eigenes Kind. Er schreibt über seine Verlorenheit und das Verlieren von Spielen, Dingen und Menschen. Währenddem nähert er sich mit seinen Figuren in Variationen immer wieder Orten an, wo er einmal Zuhause gewesen ist – Berlin, Paris, Schiff und Dorf am Oberrhein – zugleich an Menschen und damit an zugefügte Verletzungen. Er beklagt die Sprachlosigkeit in seinem Elternhaus. Passagenweise ist seine Geschichte ein Requiem für seine verstorbenen Eltern. Das Erbe des Vaters hilft ihm aus seinen Existenzängsten nicht groß heraus, es macht weniger das Finanzielle aus, vielmehr die Materie der Schifffahrt , sie hat der Ich-Erzähler in Fleisch und Blut verinnerlicht.
Aber nicht nur die Eltern sind sterblich. Nach einer guten Freundin erhält auch der Ich-Erzähler die Diagnose Krebs und wird mit seiner Sterblichkeit konfrontiert. Die Zeit seiner Operation und Therapie ist durchsetzt mit Konflikten mit seiner langjährigen Lebenspartnerin. Wir hätten niemals ein Kind zusammen bekommen sollen! Nie!“, sagt er an einer Stelle. Ein Satz mit großer Sprengkraft. Er will wahrhaftig sein und sich trennen.
„Sterbende, denke ich. Heute sehe ich Menschen, die sich krampfhaft in verschiedenen Situationen des Lebens, auch bei Liebesakten, wälzen und über Schmerzen klagen, über so starke Schmerzen klagen, dass sie meinen, sterben zu müssen… Die Schmerzen dringen als eine zähe blaue Flüssigkeit in ihre Körper ein, die sich mehr und mehr festsetzt, die sie mehr und mehr erstarren und tatsächlich sterben lässt… Wissen Sie, ich denke heute, vielleicht hätten sich die Menschen nicht so stark an Schmerz und Sterben ergeben dürfen, ja, wahrscheinlich hätten sie mehr kämpfen müssen…“ (Auszug, S.57)
In den Phasen von Krankheit und Sterben entdeckt er ein großes Lebenspotential. In der Nähe des Hauses der alten Frau befindet sich der Pferdestall, in dem seine 6jährige Tochter reitet. Im Laufe der Geschichte steigt der Ich-Erzähler selbst aufs Pferd und lernt reiten, ein Bild für die Befreiung seiner lange Zeit eingesperrten freiheitsliebenden Natur.
Die Pole Freiheit und Gefangenschaft sind die Grundmotive des Romans. Aufbrüche und Reisen münden mit dem Nach-Hause-Kommen jedes Mal in Verhaftungen. Eine zeitgenössische Variante des Mythos des Sisyphos. In dem Maße wie der Ich-Erzähler von seiner Herkunft gefangen genommen wird, ist er seinem Schicksal verhaftet. Erst durch den Willensakt, für seine kleine Familie Verantwortung zu übernehmen, erhebt er sich stellenweise darüber.
Letztlich bekommt er von einem Radiosender den Auftrag, nach Arizona zu den Navajo Indianern zu reisen. Den Abschied von seiner Tochter erlebt er wie die Einlieferung ins Krankenhaus zum Sterben. In der Ferne Arizonas erkennt er jedoch, dass er sich noch nicht von seiner Lebenspartnerin getrennt hat, vielmehr noch eine große Anziehung besteht. Das Schlussbild von Verloren rundet all seine Bemühungen ab, die Wüste der Krise zu durchqueren: eine in ihren Heimatort zurückkehrende Reiterin.
Den Roman „Verloren – Eine Klage“ habe ich 2003 in Hamburg geschrieben. Er umfasst ca. 165 Seiten.