Himmel und Hölle
Literarische Kindheitsmuster zwischen Erinnerung und Fiktion
Radiofeature von Egon Koch
Produktion: NDR & SWR 2007
„In Wirklichkeit überschreitet jedes Kind jene Schwelle, die Paradies und Hölle ebenso gut trennt, wie verbindet“ – so hat es Manès Sperber gesagt über unser aller Kindheit als eine äußerst folgenreiche lebensgeschichtliche Phase. Auf der Suche nach Identität haben sich auch viele Schriftsteller lebenslang mit ihrer Kindheit beschäftigt: bei Ilse Aichinger, Thomas Bernhard und Albert Camus geht es immer wieder um Erinnerungen an die Prägungen in der Kindheit; für Christa Wolf sind solche Erinnerungsversuche fragwürdig. Wo die Erinnerung versagt, etwa bei jüdischen Autoren wie Georges Perec oder Raymond Federman, ist das Werk auf den harten Realitätskern konzentriert: auf den Verlust der Eltern, auf die Erfindung der eigenen Lebensgeschichte.
Sowohl in Erinnerungen als auch in Fiktionen finden Schriftsteller individuelle Kindheitsmuster, nach denen sich das spätere Leben entwickelt – bei Kafka, dem „ewigen Sohn“, ist es das unglückliche Verhältnis zum Vater. Autoren der Nachkriegsgeneration wie beispielsweise Bernward Vesper rechnen mit den Vätern ab – und mit der Nazi-Zeit. Und Josef Winkler wagt gar einen Zeitsprung, um das Gewesene zu vergegenwärtigen: er wird wieder zum Kind, mit der gleichen Hilflosigkeit und Ohnmacht wie damals.
Die Rebellion schließlich gegen die Bedingungen der früheren Lebensphase führt im besten Fall zur Loslösung von den Eltern und zum geglückten Abschied von der Kindheit.
Regie: Egon Koch
Sendetermine
17. April 2007, 20.00 – 21.00 Uhr, NDR Kultur
17. April 2007, 20.03 – 21.00 Uhr, SWR 2
19. April 2007, 21.30 – 22.30 Uhr, BR 2