Es kann nicht sein und ist doch
Kleine Literaturgeschichte der Krankheit Krebs
Radiofeature von Egon Koch
Produktion: NDR 2006
Im letzten Jahrhundert ist Krebs zur Volkskrankheit geworden. Jeder Dritte wird heute mit der Diagnose „Krebs“ konfrontiert. Forschung und Wissenschaft bekommen den Krebs nicht in den Griff. So setzt man im Allgemeinen die Krankheit gleich mit dem Tod.
Lange tabuisiert und mystifiziert, wird Krebs erst in den siebziger und achtziger Jahren mit Namen genannt. Zu dieser Zeit findet die Krankheit zunehmend Eingang in die Literatur und dringt in das gesellschaftliche Bewusstsein. Nicht nur eine Masse hilfloser „Krebsbüchlein“ kommt auf den Markt, sondern der Krebs und die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod findet auch in Tagebüchern, Briefwechseln, Autopathographien, Erzählungen und Romanen ihren Ausdruck.
Nach Susan Sontag wird die Krankheit vor allem als eine Metapher in der Literatur verwendet. Der von Mystifikation überlagerten und von der Phantasie des unentrinnbaren Verhängnisses belasteten Krankheit versuche man, sagt sie, mit militärischen Begriffen aggressiver Kriegsführung beizukommen, wie etwa „Kampf“ oder „Kreuzzug“ gegen den Krebs. Jedoch entstehen mehr und mehr Texte, die unmetaphorisch von der Krankheit erzählen. Autoren wie Erica Pedretti oder Philip Roth setzen die Forderung des selbst krebskranken Peter Noll um: Sie geben den Sprachlosen für Krebs und Sterben eine Sprache. Die Literatur trägt zur Entmystifizierung und damit zum besseren Verständnis der Krankheit bei.
Krebs ist zum festen Bestandteil unserer Kultur geworden. In seinem Buch „Krebs – Der blinde Passagier der Evolution“ kommt Mel Greaves zum Schluss: „Es hat nie ein krebsfreies Utopia gegeben und wird es voraussichtlich auch nie geben“.
Regie: Egon Koch
Erstsendung
04. April 2006, 20.05 – 21.00 Uhr, NDR Kultur