Ganz-Ohr!-Info

Ganz Ohr!

Die Zuhör-Show

Hörspiel von Egon Koch, 2022
Produktion: xxx

Musik / Atmo 1: Applaus (aus der Retorte)

Regie: Erkennungsmelodie wie bei einer Talk Show im Fernsehen, gemischt mit Applaus des Publikums (aus der Retorte) über die gesamte Vorstellungsrunde hinweg. Nach den Vorstellungen der einzelnen Teilnehmer brandet der Applaus stärker auf.

Im gesamten Stück sind immer wieder leises Murmeln, Unmutskundgebungen, Lachen, Knarren, Stühlerücken, Räuspern u.a. des Publikums zu hören, auch um die unterschiedlichen Räume der Gesprächspartner anzugleichen.

Moderatorin:

Meine Damen und Herren, heute lohnt es sich, dass Sie das Radiogerät eingeschaltet haben. Sie hören GANZ OHR! DIE ZUHÖR-SHOW. Wir haben tolle Gäste. Heute bringen wir Ihnen Kenner des Zuhörens zu Gehör.

Moderator:

Aus Regensburg ist eine bemerkenswerte Frau zu uns gekommen. Sie unterrichtet Zuhören und sagt: Zuhören ist die Voraussetzung von Wissen.

O-Ton 1: Martina Hahne

[01:20:46] Ich heiße Martina Hahne, ich bin Grundschullehrerin … am wunderschönen Keilberg, einem Stadtteil von Regensburg. Und ich leite in diesem Schuljahr eine Jahrgangs kombinierte Klasse Drei-Vier.

Moderatorin:

Viele von uns haben ihr Geld auf einer Bank oder Sparkasse. Der junge Mann aus Hamburg hier erklärt uns, was wir am Schalter oder am Geldautomaten nicht mitbekommen, die Kommunikation in einem Finanzunternehmen.

O-Ton 2: Dennis Chan

[00:00:40] Ich bin Dennis Chan. Ich leite den Unternehmensbereich Informationsmanagement. Und der Bereich ist dafür gegründet worden, …. um zu schauen, wie gelingt es uns eigentlich in Zukunft eine, eine Bank zu transformieren?

Moderator:

Eine weitere Fachfrau des Zuhörens hat den Weg aus Verden an der Aller zu uns gefunden. Eine Psychoanalytikerin muss aushalten, meint sie, was ein Patient erzählt.

O-Ton 3: Dunja Voos

[00:00:35] Mein Name ist Dunja Voos. Ich bin Ärztin und Journalistin und mache eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin.

Moderator:

Im Universitätskrankenhaus in Hamburg Eppendorf ist die dritte Expertin tätig. Zum wertschätzenden Verhalten eines Arztes gegenüber dem Patienten, behauptet sie, gehört Zuhören.

O-Ton 4: Rebecca Machnik

[00:14:16] Mein Name ist Rebecca Machnik. Ich bin Diplom Psychologin und seit etwa zehn Jahren tätig, hauptsächlich wissenschaftlich. Meine Funktion ist, dass ich das Simulation Patientinnen Programm vor Ort koordiniere und Kommunikation unterrichte.

Moderatorin:

Frau Machnik hat einen Simulationspatienten mitgebracht. Er hat eine Lieblingsrolle. Die verraten wir aber noch nicht.

O-Ton 5: Willi Kühl

[00:57:40] Mein Name ist Willi. Kühl, kühl. Kühl. Ja, mit L. Ja. Wollen Sie mein Alter auch wissen? Gut.

Moderatorin:

Nein, nein, danke, nicht nötig.

Moderator:

Die Frau zu meiner Linken leitet seit Jahren gemeinsam mit einem Kollegen den Kurs „Hilfreich miteinander sprechen“ an der Hamburger Hauptkirche St. Petri. Für sie gehört zum guten Zuhören: Sich zurücknehmen.

O-Ton 6: Anne Kowalski

[01:17:35] Mein Name ist Anne Kowalski. Ich bin … in Sankt Petri im Beratungszentrum. Seit circa 13 Jahren habe ich angefangen in der offenen Beratung, habe die Ausbildung natürlich durchlaufen und habe mich dann jetzt weitergebildet. Ich bin inzwischen systemische Therapeutin, Therapeutin, Coaching und Supervisorin und arbeite in eigener Praxis.

Moderatorin:

Der Mann an ihrer Seite hat den Lehrgang besucht. Kommunikation gehört zu seinem Tagesgeschäft.

O-Ton 7: Jürgen

[01:49:18] Jürgen ist mein Name. Ich bin 57 Jahre alt. Verheiratet, keine Kinder, wohnhaft in Hamburg, und ich arbeite in einer Unternehmensberatung und bin dort auch Betriebsrat.

Musik / Atmo 1: Applaus (aus der Retorte)

Regie: Musik nochmals hochziehen, Applaus ebbt ab, Ansage Titel:

Ansage:

GANZ OHR! DIE ZUHÖR-SHOW

Von Egon Koch

Moderatorin:

Wir haben ja heute ein „line-up“, so ein „line-up“ findet man selten. Ich freue mich, in dieser Runde begrüßen zu dürfen….

Moderator:

Hör auf. Hör jetzt auf damit. Meine Hörerinnen und Hörer, Sie haben es natürlich gleich bemerkt. Wir parodieren hier eine der vielen Fernseh-Talk-Shows.

Moderatorin:

Aus einer haben wir Ihnen eine Szene ausgesucht. Regie, bitte, lassen Sie uns reinhören.

Atmo 2: NDR Talk Show vom 01.07.2022 (https://www.youtube.com/watch?v=AQUazG6KMUs

(40:30) Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt: Hättest du Elyas M’Barek davon überzeugen können, Physik zu studieren.

Moderatorin Barbara Schöneberger: Ja, klar. (…)

(40:40) Elyas M’Barek Ich fand Biologie ganz interessant, aber Physik war mir zu mathematisch. Chemie fand ich eigentlich ganz witzig…

Mann: Wir hätten, hätten…

Schöneberger: Dabei ist Physik, heute, wo ich alles abgelegt habe, meine ganze Angst, die mir im Nacken saß, Physik, das spannendste von allen Fächern,

Mann: Ja. Weißt du…

Schöneberger: Ich erklär dir mal was, was mit deinem Leben zu tun hat. Weil ich saß da in diesem Raum mit den Klapptischen…

Mann: Ich sag dir, es ist…

Schöneberger: Das hat nichts mit mir zu tun.

Mann: Es ist in dieser Runde…

Schöneberger: Jetzt, wo ich älter bin, versteh ich viel mehr von Physik… (Lachen/Applaus)

Moderator:

Den Sprechenden zu unterbrechen, gehört zu deren Stilmittel, Spannung zu erzeugen und „lebendig“ zu wirken. Auf das Stichwort „Physik“ fällt die Moderatorin dem angesprochenen Wissenschaftsjournalisten ins Wort. Falls dieses Verhalten das Spiegelbild dafür ist, was in unserer Gesellschaft vorgeht, dann müssen wir feststellen: viele wollen reden, wenige zuhören.

Moderatorin:

Versprochen, in unserer Zuhör-Show wird keiner unterbrochen. So wie sich das anhört, hat Zuhören in unserer Zeit keinen gesellschaftlichen Wert. Dennis Chan, wie ist es bei uns um das Zuhören bestellt?

O-Ton 8: Dennis Chan

Ob in, in Kindergärten, in Schulen, in Kirchen, in Politik, in sonst irgendwas. … Aus meiner Sicht hört sich die Gesellschaft die letzten Jahre … immer schlechter zu.

Moderatorin:

Und Sie, Jürgen, wie finden Sie das?

O-Ton 9: Jürgen

[02:19:34] Mein Eindruck ist, dass viele Menschen sich mit dem Zuhören inzwischen sehr schwer tun, … dass es Gesprächspartnern sehr schwer fällt, über einen gewissen Zeitpunkt, über eine gewisse zeitliche Länge hinaus auch bei einem Thema zu bleiben und sich auch mal einzulassen auf eine vielleicht etwas umfangreichere Geschichte, die nicht mal so schnell in einem Satz dann auch zu erzählen ist, sondern vielleicht auch nur drei Sätze braucht.

Moderatorin:

Willi Kühl, was sagen Sie?

O-Ton 10: Willi Kühl

[01:14:36] … Privat habe ich die Erfahrung gemacht, wenn man etwas von sich erzählt, ob das nun eine Krankheit oder sonst irgendwas ist. Der Gegenüber sagt sofort: Ja, das habe ich auch. Und schon. Wird man vollgepfropft mit seinen Angelegenheiten. Aber das ich habe mein Problem noch gar nicht richtig genannt. Es wird nicht mehr zugehört. Es wird sofort das. Das Problem, was ich habe, wird sofort sein Problem aus seiner Sicht, was er erlebt hat.

Moderatorin:

Wie in der Talk-Show verkommt das Gegenüber auch im Alltag zum Stichwortgeber für die eigene Geschichte. Was könnten die Ursachen sein, Jürgen?

O-Ton 11: Jürgen

[02:31:34] Ich will mich da gar nicht von frei machen, aber ich glaube, dass wir als Menschen jetzt in der Gesellschaft durch …. vielleicht die Vielfalt von Eindrücken, die wir haben, die die Komplexität von Themen, die wir alle zu verarbeiten dann auch haben, nicht nur unsere berufliche Situation, sondern auch die Gesamtsituation Klimawandel, Ukraine, Krieg das sind alles Dinge, die auf einen einströmen und die in erster Linie, glaube ich, auch den Impuls dann auch senden, sich mitteilen zu wollen, also selber sich zu äußern. Wie fühle ich mich, was habe ich beobachtet, was habe ich erlebt? Man ist selber so voll, dass man eigentlich gar nicht mehr offen ist, auch zu hören, was andere zu sagen haben.

Moderatorin:

Dunja Voos, was hören Sie?

O-Ton 12: Dunja Voos

[01:07:31] Ich erlebe eine große Aufgeregtheit. Ich denke an … an das traurige Symbol, dass die … Beichtstühle verschwunden sind. Also ich habe nur eine grobe Vorstellung, wie Beichten früher abgelaufen sind. Aber dieses Gefühl, man kann sich mit jemandem hinsetzen, den man auch nicht sieht in einen abgeschlossenen Raum und dem kann man alles erzählen und danach fühlt man sich von der Schuld ein wenig befreit. Das ist ja eigentlich ein schönes Bild, auch etwas, was die Menschen sich wünschen. Das hat heute größtenteils die Psychotherapie übernommen, aber es ist irgendwie auch aus diesem Gesellschaftsbild verschwunden.

Moderatorin:

Heute delegieren wir das Zuhören an Profis: An Telefonseelsorge, Arzt, Therapeut.

Moderator:

Zur Vorbereitung auf unsere Zuhör-Show habe ich den Philosophen Byung-Chul Han gelesen. Er schreibt an einer Stelle: „In Zukunft wird es womöglich einen Beruf geben, der Zuhörer heißt. Gegen Bezahlung schenkt er dem Anderen Gehör.“ Grund für das unzureichende Zuhören ist für ihn die zunehmende Fokussierung auf das Ego. Die digitale Kommunikation tue ein Übriges, meint er, dass die Leute einander nicht zuhören.

Moderatorin:

Dennis Chan, sind die so genannten „sozialen Medien“ ein weiter Grund für unsere unzulängliche Fähigkeit zuzuhören?

O-Ton 13: Dennis Chan

Wie oft guckt man Fernsehen, hat dabei noch ein Telefon in der Hand und tippt dann irgendwie noch was ein und spricht dabei mit seinem Partner oder am Essenstisch dann doch noch mal schnell Oh, da ist eine Nachricht reingekommen. Also wie bewusst bin ich eigentlich bei mir und in der Kommunikation? [01:29:00)]

O-Ton 14: Dunja Voos

Zum Beispiel auf Twitter, da sagt einer was, und dann geht die Horde auf den los. Und ganz oft ist es, dass die Leute innerlich so eine Autovervollständigung haben. (….) Also man sagt einen Satz und die Menschen füllen den mit den eigenen Fantasien aus und regen sich schrecklich auf. Und ich erlebe eine furchtbare Aufgeregtheit.

Moderator:

„Shitstorms sind eine ungerichtete Flut von Affekten,“ schreibt Byung-Chul Han weiter. Das Internet, stellt er fest, sei heute nichts anderes als Resonanzraum des isolierten Selbst.

Moderatorin:

Aufgeregtheiten: Im Internet, auf der Straße, in den eigenen vier Wänden, im Fernsehen, überall wird geschrien, als müssten immer mehr Leute auf sich aufmerksam machen. Eine Schauspielerin rastet in einer Talk Show aus:

Moderator:

Regie, lasst mal hören!

Atmo 3: Katrin Sasse rastet aus / Markus Lanz 29.1.2013

(https://www.youtube.com/watch?v=7tdSQC4j30M)

(0:58) Katrin Sasse. Ein Unfug ist das. Wir müssen nicht über Dschungel reden, wir müssen nicht über…

Lanz: Denken Sie an ihr Herz, denken Sie an ihr Herz, ich mach mir Sorgen wegen ihrer Gesundheit. (Stimmengewirr)

(1:10) Sasse: Es ist unglaublich. Sich hier hinzusetzen und zu sagen: Ich will erhobenen Hauptes raus. Ich fresse Schwänze, aber mit erhobenem Haupt.

Lanz: Stopp, Stopp, Stopp

Sasse: Nein, nicht Stopp. (Applaus)

Moderatorin:

Gehört, verstanden werden, ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Das wird jedoch in unserer auf Effizienz und Schnelligkeit getrimmten Gesellschaft selten befriedigt. Vielmehr bringen wir einer unterschiedlichen Perspektive kaum Verständnis entgegen. Wir wollen Recht haben. Und unsere Meinung durchsetzen. Jürgen, was sind Ihre Erfahrungen als Betriebsrat?

O-Ton 15: Jürgen

[02:05:20] Es ist natürlich in der Diskussion …. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretern natürlich immer so, dass in der Tendenz die Arbeitgebervertreter schon auch versuchen deutlich zu machen verbal, nonverbal, wer hier eigentlich der Herr im Haus ist. Sage ich, wir wissen ja, wer der Herr im Haus ist. Das geht ja auch gar nicht darum, wer da der Herr ist, sondern es geht um die Lösung von sachlichen Fragen. (…)

Wobei, man dann natürlich sagen muss, keine der Seiten gibt gerne Dinge her, die ihr wichtig sind, das ist auch ganz klar. Also sicherlich noch mal eine besondere Situation. Der Wille zur Einigung braucht manchmal schon Stunden, Tage oder Wochen, dann auch, bis man soweit ist, dass man sagt: So, und jetzt kommen wir dann auch wieder zusammen und sind dann am Ende mit dem Ergebnis auch ganz zufrieden. [02:07:46]

Moderatorin:

Dennis Chan, so ein traditionelles Unternehmen wie die Hamburger Sparkasse hat vermutlich hierarchische Strukturen. Wie läuft die Kommunikation in einem Geldinstitut? Geben die Führungskräfte vor, was gemacht werden muss?

O-Ton 16: Dennis Chan

[00:11:20] Wie ist denn eine, eine Leit-Kommunikation? Der Vorstand sagt … der nächsten Ebene, der nächsten Ebene und irgendwann unten kommt dann, so Stille Post, was ganz anderes, anderes der Vorstand irgendwie gesagt hat, weil jeder seine Sachen da reininterpretieren. Ja, so war es auch. Also so war es auch, muss man sagen.

Moderatorin:

Sie leiten den 2020 gegründeten Unternehmensbereich Informationsmanagement. Mit ihrem achtköpfigen Team sollen sie einen Wandel der Unternehmenskultur bewirken, damit die Sparkasse im Zeitalter der Digitalität bestehen kann.

O-Ton 17: Dennis Chan

[00:12:04.11] Was uns … gelungen ist, bei der Kommunikation weg davon zu gehen, der Vorstand sagt irgendetwas und dann rennen halt alle los und dann versucht man das irgendwie. Und das ist, das ist ganz interessant, weil das war für uns natürlich auch eine Herausforderung und auch eine Umstellung des Arbeitens unseres Vorstandes. Und man muss sagen, … die haben die letzten Jahre einfach eine krasse Entwicklung gemacht, … und haben gemerkt …, jetzt kommen vielleicht noch viel bessere Ideen dabei raus, wenn wir miteinander sprechen und wenn wir den Menschen zuhören.

Moderatorin:

Im Internet habe ich in einem Blog der Hamburger Sparkasse gelesen: „Neue Führung braucht weniger Bosse und mehr Leader*innen. Das sind für mich Menschen, die Eigeninitiative ermöglichen, Leute befähigen und die Mitarbeiterinnen auf die Reise in die Zukunft mitnehmen, dafür begeistern.“ Um diese Vision zu verwirklichen, haben Sie eine Zukunftswerkstatt initiiert. 90 Workshops à zwei Stunden für alle rund 4500 Mitarbeitenden.

O-Ton 18: Dennis Chan

[00:13:52.00] In diesem Zukunftsworkshop war immer ein Vorstand, der dann einmal die Vision geteilt und dann ins Gespräch gegangen ist. Was heißt das eigentlich? Was macht das mit euch? Welche Gedanken habt ihr? Und hat da sehr intensiv zugehört und (…) (16:02) Zuzuhören, … das war das, was den Mitarbeitenden in der Rückmeldung zu den Workshops am besten gefallen hat. Das war das, was den Vorständen am besten gefallen hat, zu sagen: Wir haben uns mal die Zeit genommen und haben uns mal zugehört.

Moderatorin:

Ist beim gegenseitigen Zuhören von Führungskräften und Mitarbeitern etwas Hörbares herausgekommen?

O-Ton 19: Dennis Chan

[00:23:20.05] Eine kleine Anekdote zum Zuhören, das so spannend ist, wie, wie Menschen zusammen sein können, aber sich trotzdem nicht zuhören, wenn man in den Arbeitskontext mal reingeht. … [00:23:32.24] Da saßen zwei Menschen seit fast 20 Jahren in einem Büro und mit diesen Fünf-Minuten-Gesprächen, die wir dann da gemacht haben, …  haben die beiden festgestellt, dass sie eine riesen Gemeinschaft haben, nämlich dass sie nämlich beide total gerne angeln. (…)

(ca.1:00:00) Wenn man Dinge von sich preisgibt, wächst das Vertrauen zueinander. Wenn das Vertrauen wächst, dann steigt die Beziehungsqualität. Wenn die Beziehungsqualität gestiegen ist, traue ich mir auch durch Vertrauen … auch vielleicht in den Konflikt zu gehen und zu sagen Hey, ich würd dir mal was zurückspielen. Konflikt heißt ja nicht immer Streit, sondern Konflikt kann auch Entwicklung heißen.

Moderatorin:

Hört mal alle her. Nicht, wenn wir reden, wenn wir zuhören, erfahren wir Neues. Dennis Chan, ein Geldinstitut möchte doch auch Geld verdienen.

O-Ton 20: Dennis Chan

[00:24:25.22] Am Ende des Tages ist es egal, ob ich in der Bank, im Handwerk, irgendwo arbeite, möchte ich ein Produkt abliefern und am Ende eine Leistung abliefern. Und wir haben halt einen Dreier-Klang damit reingebracht, dass wir gesagt haben: Es wird uns nur gelingen, wenn wir Mensch, Entwicklung und Leistung in Einklang bekommen. (…) [00:24:57.24] Wir müssen erst mal Mensch. … Nur wenn du Beziehungsqualität hebst, kannst du auch irgendwie Entwicklung und Leistung abfangen oder auch erwarten.

Moderatorin:

Die Gleichung hört sich einfach an: Mit den besseren Beziehungen unter den Mitarbeitern erhöht sich auch die Produktivität des Unternehmens. Wie aber wollen Sie über lange Zeit eingeschliffene Strukturen in der Kommunikation aufbrechen? Wie können Führungskräfte wirklich dem zuhören, was Angestellte sagen?

O-Ton 21: Dennis Chan

[00:36:00.19] Das sind halt diese inneren Bilder, die man in sich trägt, die Erfahrungen, die man gesammelt hat und da draus entsteht ja Verhalten. (…)

[00:41:38.05] Und deswegen haben wir uns sehr, sehr intensiv mit diesen Dingen auseinandergesetzt: Wie gelingt es euch, innere Bilder in die Veränderung zu bringen? Welche inneren Bilder habt ihr eigentlich? Weswegen seid ihr limitiert? Welche Muster des Gelingens und Nicht-Gelingens kennt ihr? Und das ist ja das Schwierigste, dieses Muster zu verändern und (…) [00:52:13.08] Innere Bilder, die können wir nicht löschen. … Ich kann sie nur mit neuen Erfahrungen verblassen lassen. Das Blöde ist, sie kommen wieder in voller Stärke nach vorne geschossen, wenn ich diese selbe Erfahrung noch mal bestätigt bekomme, dieses innere Bild. Und deswegen ist Veränderung auch so verdammt schwer.

Moderatorin:

Veränderungen dauern mitunter lange. Aber Sie haben in der Sparkasse mit Zuhören einen Anfang gemacht. Was meinen Sie, können Sie Ihre Erfahrung auf andere gesellschaftliche Bereiche übertragen?

O-Ton 22: Dennis Chan

[00:54:45.27] Ob in, in Kindergärten, in Schulen, in Kirchen, in Politik, in sonst irgendwas. Wenn es uns gelingt als Gesellschaft, uns wieder besser zuzuhören, dann würden auch die Konflikte aus meiner Sicht wesentlich kleiner werden und wir würden wieder eine ganz andere Art von Gemeinschaft entfachen können.

Atmo 1: (Applaus aus Retorte)

Moderator:

Schule, ich greife das Stichwort auf. Martina Hahne, Sie unterrichten als Grundschullehrerin in Regensburg-Keilberg Zuhören. Sprechen und Zuhören, beides ist in den Lehrplänen der deutschen Bundesländer vorgeschrieben.

O-Ton 23: Martina Hahne

[00:01:26.06] Es war eigentlich über lange Jahre ein eher stiefmütterlich behandeltes Thema, weil man den Fokus natürlich im Deutschunterricht eher auf die Orthografie, also Rechtschreibung, auf das Lesenlernen, auf den Aufsatz-Unterricht gelegt hat. …

Moderator:

Mein Grundschullehrer hat oft gesagt: „Wer Ohren hat, der höre, wer keine hat, der schlafe weiter.“ Am Telefon haben wir Margarete Imhof zugeschaltet. Sie leitet die Abteilung Psychologie in den Bildungswissenschaften an der Universität Mainz. Frau Imhof, Sie sind Zuhör-Forscherin. Was sagen Sie zu den deutschen Lehrplänen?

O-Ton 24: Margarete Imhof (SWR-Archiv: Zuhören ist so wichtig wie sprechen)

(12:47) Zuhören, da stehen dann immer nur diese Sonntagssätze drin. Also, wir hören einander zu, wir machen das auch respektvoll. … Aber wie man das macht, wie man das lernt, wie oft man das üben muss, bis man das kann. Da finden Sie nichts.   ….  (13:08) Zuhören ist was, was man immer wieder üben muss, weil Zuhören in verschiedenen Situationen auch verschiedenes bedeutet. Weil das ja unterschiedliche Dinge bedeutet, ob ich jetzt einem Kind zuhöre, was versucht, mir zu erklären, was es gerade nicht versteht. Ob ich jemand zuhöre, der mir gerade von einer persönlichen Problematik erzählt. (…) Also Zuhören ist ja nicht immer dasselbe.

Regie: Alle O-Töne von Margarete Imhof verfremden, als spreche sie ins Telefon.

O-Ton 25: Martina Hahne

[00:01:52.04] Mir persönlich ist das Zuhören ein Herzensthema, weil ich finde, das ist eine Schlüsselkompetenz, die die Kinder erwerben sollten im Rahmen des, der Grundschule, weil das Zuhören Voraussetzung ist, um Wissen zu erwerben. Vieles wird hier am Schulvormittag nur mündlich vermittelt, auch Anweisungen werden in der Regel mündlich gegeben. Und da ist es eben besonders wichtig, dass die Kinder lernen zuzuhören.

Moderator:

Zuhören geschieht nicht einfach, es ist der bewusste Akt, um zu verstehen und aufzunehmen, was uns das Gegenüber sagt. Mit dem Zuhören lernen wir die Fähigkeit, uns die Gedanken anderer anzueignen. Im Internet habe ich jedoch folgende Information gefunden: 2016, bei der letzten Erhebung, lag der Anteil der Schüler der 4.Jahrgangsstufe bei der Zuhören-Kompetenz im Fach Deutsch in Bayern laut Statistik bei 76,9, in Baden-Württemberg bei 67, im Schnitt in Deutschland bei 68,4 Prozent.

O-Ton 26: Martina Hahne

[00:13:53.05] In den Jahren zwischen 2011 und 2016 hat die Zuhör-Kompetenz der Schülerinnen und Schüler in Deutschland signifikant abgenommen und man vermutet, dass es mit Corona und den dadurch bedingten Schulausfällen eben nicht besser geworden ist. (…)

[00:44:02.15] Die Stiftung Zuhören hat sehr schön auf den Punkt gebracht: Hören kann der Mensch von Geburt an, aber das Zuhören, das muss er erst lernen.

Moderator:

Lassen Sie mich das bitte kurz erklären. Bei der Stiftung Zuhören haben Sie sich im Unterrichten von Zuhören ausbilden lassen. Die Stiftung Zuhören, sie hat ihren Sitz in Gießen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Zuhören als Schlüsselkompetenz in allen Bereichen der Gesellschaft und bei allen Altersgruppen zu fördern. Zudem informiert sie über spannende und hochwertige Hörspiele und bietet eine Plattform für Diskussion und Austausch rund um Zuhören und Zuhörbildung. Frau Hahne, wie lehren Sie Zuhören?

O-Ton 27: Martina Hahne

[00:09:08.17] Die Kinder machen natürlich unheimlich gerne Geräusche-Rätsel. (…) [00:09:38.28] Das Ganze dient dazu, einfach die Ohren zu spitzen und die, die Wahrnehmung bewusst auf das Akustische zu lenken. Das wurde oder ist uns ja gar nicht so bewusst. Ich finde, dass, das Sehen hat da einen anderen Stellenwert. Man kann bewusst die Augen verschließen, man kann … bewusst die Augen aufmachen und die Ohren, die sind irgendwie da, die sind quasi seitlich am Kopf angewachsen, aber mit denen passiert den ganzen Tag über nichts. Und durch diese Rituale sollen die Kinder wirklich bewusst die Ohren öffnen.

Moderator:

Unser Reporter hat Martina Hahne und ihre Klasse in der Grundschule Keilberg besucht. Schenken wir seiner Aufnahme Gehör.

Atmo 4: Zuhör-Stunde (auf: 2022.07.18.Grundschule Keilberg 2)

(5:15) Hahne: Du darfst deine Ohren schon gleich mal testen, (…) (17:13) Ich hab euch nämlich ein geheimes Geräusch mitgebracht. Du begibst dich jetzt in deine bequeme Zuhörposition. …

(18:00) Audio: Klappe, Rennen….

(18:25) Hahne: Julia.

Julia: Ich hab jemand trampeln gehört und so ein Rauschen, wie von einer Mikrowelle. (…) (20:59) Also, ich hab schon so eine Vermutung, wo Sie das aufgenommen haben. (Hahne: Nämlich) Als wir bei den Bundesjugendspiele waren, (Kind: Ja, das wollte ich auch sagen) auf dem Sportplatz, das war, glaube ich, eine Klappe, dann so (Händeklatschen), das heißt, fertig zum Rennen, das war sozusagen ein Sprint. (Kind: Ja, genau, das wollte ich auch sagen, Julia..)

Hahne: Bingo, (…) (22:15) Also, die Julia hat Recht. Das war die Startklappe: auf die Plätze, fertig, los (Klatschen)…. Und dann ist jemand losgerannt zum Sprint. Gesprintet ist mein Sohn zu Hause, der Julius.

Regie: O-Ton über weiterlaufende Atmo

O-Ton 28: Martina Hahne

[00:05:06.20] Das ist … sehr wichtig, dass das Ganze spielerisch passiert, dass die Kinder eigentlich gar nicht merken, … dass Arbeit dahintersteckt. (…) [00:05:38.21] Gerade im, in den Zuhörer-Stunden dadurch, dass das Schriftliche die Verschriftlichung außen vor ist, haben Kinder hier auch Chancen, die einfach aufgrund feinmotorischer Probleme etc. nicht gut im Schreiben sind, haben da oft ihre Sternstunden und können zeigen, was in ihnen steckt.

Moderator:

Zuhören macht also selbstbewusst.

Atmo 5: Spiel (auf: 2022.07.18.Grundschule Keilberg 3)

(0:55) Bewegung im Klassenraum, Stimmen

(1:29) Hahne: Ich habe mit den 4ern letztens ein Spiel gespielt, das heißt „Ja genau und dann“…

(1:53) Johanna: Das Spiel geht so. „Ich machte einen Spaziergang im Urwald und dann… ja und dann sah ich einen schönen Schmetterling.“

(2:50) Hahne: Sind alle startklar? …. „Am Wochenende lag ich auf meiner Liege und trank einen Eistee.“

(3:10) Mädchen: „Ja, genau, ich trank einen Eistee und der war sehr lecker.“

….

Regie: O-Ton über Atmo

O-Ton 29 : Martina Hahne

[00:08:05.14] Eigentlich kann man alle Zuhörspiele so herunterbrechen wie auch heute dieses „Ja-und-dann-Spiel“, dass man eben aktiv zuhört, in ein Geräusch oder einen Hörtext des anderen aufnimmt, den wiederholt und dann selber noch mal eine neue Komponente dazugibt. Und da habe ich eben beide Anforderungen in einem, nämlich einmal muss ich aktiv zuhören. Und während ich aktiv zuhöre, muss ich mir aber auch schon wieder Gedanken machen um das, was ich dann ergänze. Das ist noch mal so eine Schwierigkeitsstufe mehr.

Atmo 6: Spiel (auf: 2022.07.18.Grundschule Keilberg 3)

(5:25) Mädchen: „Ja, genau, ich trank das Meer aus und musste danach pieseln.“

(Kinder lachen)

[00:05:37.01] Hahne: „Ja, genau, ich musste danach pieseln (Lachen Kinder) und dann lag ich wieder auf meiner Liege und war froh, dass ich das Abenteuer so gut überstanden hab.“

Junge (off) Aber er….

Hahne: Dankeschön

[00:05:53.28] Stimmengewirr Kinder [00:06:08.15] Ende

Regie: Beide Atmos miteinander verblenden

Atmo 7: Kinder lauter (auf: 2022.07.18.Grundschule Keilberg 3)

[00:11:59.20] Hahne (lauter): Ich bin gespannt, nein…. Julia, Felix, a-a,

1.Kind: a-a …  2.Kind: Frau Hahne

Atmo rollende Kugel

[00:12:22.26] Hahne: Es gibt Kinder, bei denen funktioniert die Versteinerungsmaschine heute gar nicht. Du schleichst dich bitte genauso leise wie der Dieb beim „Blinden Wächter“ auf deinen Platz.

Moderator:

Frau Hahne, Sie sind Lehrerin, zugleich auch Mutter von fünf Kindern. Hören Sie denen immer zu?

O-Ton 30: Martina Hahne

[00:39:30.13] Hahne: Wir sind eine Großfamilie und in der Großfamilie ist man vor ähnlichen Herausforderungen wie hier in der Schule, weil ich eben fünf Kinder am Abendbrottisch sitzen habe, die mir alle erzählen wollen, was sie so erlebt haben. (…) [00:40:07.26] Wir sind beide berufstätig und auch uns ereilt dieses Schicksal, dass wir eben nicht immer Zeit haben, jedem Kind wirklich zuzuhören. Und dass ich da auch einfach manchmal meinen Kindern klar kommunizieren muss: Tut mir leid. Ja, tatsächlich, ich habe jetzt gerade nicht zugehört, weil ich war jetzt gerade gedanklich da und da. Ich muss noch das und das machen. Ja, also auch mir geht es so wie den Eltern meiner Schülerinnen und Schüler.

Atmo 8: Schulflur (auf: 2022.07.18.Grundschule Keilberg 2)

(1:00:54) Atmo: Kinder machen sich in die Pause auf …. (1:02:15) Schritte…

(1:03:05) Kinder gehen relativ leise durch den Flur…. (1:03:53) Ende

Moderator:

Ob sie auf ihre Eltern hören, wollte unser Reporter in einer Pause von Maxi und Julia wissen. Regie, hören wir uns die Antworten der Kinder an:

Regie: Aufnahme Kinder im Schulflur – hallend. Atmo im Flur zum Puffer nehmen!

Atmo 8: Schulflur (s.o.)

O-Ton 31: Maxi und Julia (auf: 2022.07.18.Grundschule Keilberg 3 – Kinder)

[00:21:44.14] Maxi: Ich bin alles andere als folgsam bei meinen Eltern. (Leichtes Lachen) Wenn die was sagen, dann bin ich meistens halt abgelenkt durch irgendetwas. Dann hör ich es nicht. Aber dann müssen sie halt alles so oft sagen, damit ich es endlich mal versteh. Na ja, da versuch ich noch an mir zu arbeiten. Und immer in der Früh, da fragen mich die Eltern ungefähr ein bis zwei Mal, was ich zum Frühstück möchte, und dann sag ich das gleiche. Und dann sag ich auch manchmal: Wann versteht ihr es endlich?

Autor: Aha. (…)

(22:35) Julia: Also, ich hör eigentlich ziemlich gut, und Mama und Papa auch. Bloß, manchmal dort ist man schon abgelenkt und dann sagt Mama das ungefähr zwei bis drei Mal, und dann komm ich eigentlich schon.

Moderator:

Bei den Kindern hören wir heraus: hören und gehorchen verwenden sie als nahezu identische Begriffe. Tatsächlich gehören Zuhören und Gehorsam zu einer Wortfamilie – Hören. Wer von uns hat in der Kindheit die Ansage nicht gehört: Jetzt hör mir mal zu!

Moderatorin:

Dennis Chan, Sie als Kommunikationsspezialist, wie läuft es mit dem Zuhören in Ihrer Familie?

O-Ton 32: Dennis Chan

[01:33:50] Natürlich ist es so, … dass man, wenn man sich viel damit beschäftigt, an einer anderen Stelle ein großes Wissen hat. Ich würde mich aber nie hinstellen und sagen, nur weil ich dieses Wissen habe, kann ich es auch perfekt anwenden. (…) In der Emotion sind wir alle gleich. Das da können wir reflektiert haben, wie wir wollen.

Moderator:

Hören wir nochmal kurz in die Grundschule am Keilberg rein. Unser Reporter hat Maxi natürlich gefragt, ob er durch den Zuhör-Unterricht besser hören gelernt hat.

O-Ton 33: Maxi (auf: 2022.07.18.Grundschule Keilberg 3 – Kinder)

(18:02) Ja, schon. … Man kann es aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, manchmal ist es sehr blöd halt, wenn man sehr laut hört. Dann zum Beispiel beim Fußball spielen, wenn da einer so laut schreit, dann ist das ziemlich doof. Aber wenn man dann zum Beispiel leise ein Hörspiel hören will, dann hört man halt auch mehr.

Moderator:

Das lässt einen aufhorchen: Auch gutes Zuhören hat einen Nachteil. Gerade, wenn es laut wird. Im Klassenzimmer, auf der Straße, im Stadion. Wir können unsere Ohren vor Lärm nicht verschließen.

Moderatorin:

In unserer Gesellschaft ist das Geschrei von Kontrahenten nicht zu überhören. Wirtschaftsleute schreien Klimaschützer an, Nichtraucher Raucher, Autofahrer Radfahrer, Impfbefürworter Impfgegner…

Moderator:

… Politiker Journalisten. Oder alle andersherum. Hören Sie sich das an: 

Atmo 9a: Der Eklat bei Anne Will vom 1.10.2017 (https://www.youtube.com/watch?v=uldZ3B2fcyc)

(1:54) Markus Söder: Wir haben rechtskräftig abgelehnte Straftäter, können sie aber nicht abschieben, weil der Rechtsstaat sich schwertut. Ich kann nur sagen, da müssen wir einen Weg finden… (Stimmengewirr)

Heribert Pantl: Mein lieber Herr Söder, da liegen Sie jetzt falsch.

Söder: Herr Prantl, darf ich den Satz zu Ende…. Herr Prantl, Herr Prantl…

Anne Will: Ich verteil jetzt, Herr Söder noch einen Satz.

Regie: Atmo über die letzten Worte des vorherigen Moderators legen.

Moderatorin:

Aufhören. Stopp. Regie, die Einspielung kam zu früh.

Wir konnten meinen Kollegen im Tohuwabohu der Talk Show nicht mehr verstehen. Was hast du gesagt?

Moderator:

Journalisten schreien Politiker an. Oder alle andersherum. Hören Sie sich das an: 

Atmo 1: Applaus

Atmo 9b: Der Eklat bei Anne Will vom 1.10.2017 (https://www.youtube.com/watch?v=uldZ3B2fcyc)

(2:28) Söder:  Ich finde es absurd, wenn es nicht gelingt, rechtskräftig abgelehnte und eigentlich zur Abschiebung bedingte Menschen nicht vom Rechtsstaat abschieben ….

(3:09) Prantl: Lieber Herr Söder, es gibt einfach Abschiebehindernisse und die setzt der Rechtsstaat fest und nicht Sie und nicht die CSU und auch nicht Herr Seehofer, zum Teufel nochmal. (Applaus) (…) Stimmenwirrwarr)

(3:38) Söder: Was ist das denn für ein Ton?

Prantl: der Ton ist ein rechtsstaatlicher Ton. (Applaus)

Söder: Sie brüllen hier rum.

Prantl: der Rechtsstaat…

Söder: Meine Mutter hat immer gesagt: Wer schreit, hat Unrecht.

(Lachen, Applaus, Stimmenwirrwarr)

Moderator:

Haben Sie das gehört? Wer schreit, hat Unrecht, sagte der Politiker.

Moderatorin:

Dennoch, in unserer lauten Welt setzen sich die Lautesten durch. Die, die das Sagen haben, die Macher, die Machthaber. Sie halten lange Monologe oder geben kurze Statements ab. Sprechen andere, unterbrechen sie. Ein weiterer Typ schlechter Zuhörer zeigt sein Desinteresse durch gelangweilte Miene oder Schütteln des Kopfes.

Sind Ärzte bessere Zuhörer als Politiker oder Journalisten? Der Frage gehen wir nach einer kleinen Musikpause nach.

Musikakzent

Moderator:

Rebecca Machnik, Sie sind Diplom-Psychologin und koordinieren am Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg das Simulations-PatientInnen Programm. Medizinstudentinnen üben dort mit Laien-Schauspielern den Arzt-Patienten-Dialog.

O-Ton 34: Rebecca Machnik

[00:00:48.22] Um medizinische Fertigkeiten, also besonders kommunikative Fertigkeiten zu vermitteln. …

[00:01:00.11] Das Überbringen schwerer Diagnosen, anamnestische Gespräche und solche Themen. Es geht eben darum, dass die Studierenden in einem geschützten Rahmen üben können, ohne dass sie gleich schwere, herausfordernde Gesprächssituation an echten PatientInnen üben müssen. (…) [00:01:38.02] Aktuell haben wir etwas mehr als 150 verschiedene Rollen-Skripte, die fast alle eine andere Krankheit oder einen anderen Gesprächsanlass abbilden.

Moderator:

Unser Reporter durfte sich in einem Kurs umhören. Hören wir mal in die Aufnahmen rein, die er mitgebracht hat.

Atmo 10: Arzt-Patient-Dialog (auf: 2022.07.07.Simulationspatient -Willi Kühl)

[00:03:54.16] Klacken

Frau: … (unverständlich) Ich würde schon mal die Anamnese durchführen. … Wie heißen Sie denn?

Mann: Rösner.

Frau: Hallo Herr Rösner, würden Sie einmal Platz nehmen. … So, was bringt Sie denn heute zu uns, zu mir?

Mann: Erst mal bin ich sehr froh, dass ich heute Morgen noch einen Termin bei Ihnen bekommen habe. Ich hab seit heute Morgen starke Schmerzen im rechten Ohr.

Frau: Ok.

Mann: Aua. Sehen sie, manchmal schießt es da so rein.

Frau: Ok. Und es kam heute Morgen plötzlich, gab’s einen Anlass, einen Hörsturz, haben Sie…

Mann: Nein. So was hab ich nicht. Ich hab seit einer Woche Schnupfen. Mir läuft die Nase. Und dann heute Morgen kam eben dieser …. Schmerz dazu.

Frau: Haben Sie auch Fieber gehabt?

Mann: Nein.

Frau: Haben Sie schon was dagegen genommen?

Mann: Nein, hab ich nicht, nein. (…)

[00:05:02.10] Frau: Haben Sie schon mal so was gehabt?

Mann: Ja, als Kind hatte ich mal Ohrenschmerzen. Aber das ist dann wieder weggegangen. Meine Mutter ist dann mit mir zum Arzt…

Frau: Ok. (…)

Regie: Etwa in der Mitte der Atmo Moderator darüber legen

Moderator:

Gespräche finden in unterschiedlichen Situationen statt. Frau Machnik, wie in der Schule zwischen Lehrer und Schülern oder im Betrieb zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist auch die Konstellation zwischen Arzt und Patient hierarchisch. Der Patient, der da in die Praxis oder ins Krankenhaus kommt, ist emotional, weil er Schmerzen hat und Hilfe braucht. Arzt oder Ärztin sind eher mit Diagnosen beschäftigt, also stärker im geistigen Bereich. Der Dialog hört sich nach einer großen Herausforderung an.

O-Ton 35: Rebecca Machnik

[00:07:09.25] Der Patient ist ausgeliefert. Da passiert ganz viel Kontrollverlust und muss auch ganz viel Zutrauen passieren, je nachdem, mit welchem Problem er sich vorstellt oder sie.

[00:07:48.24] Insofern ist es was, was ich in meiner Lehre versuche zu vermitteln, die richtige Haltung zu haben, also wertschätzend mit Patienten umzugehen, offen dafür zu sein, was die der Ärztin oder dem Arzt erzählen, was sie brauchen und dann hilfreich, aber neutral zu bleiben in der Behandlung, … in der Diagnostik.

Moderator:

Dunja Voos. Sie sind Psychotherapeutin, aber auch Ärztin.

O-Ton 36: Dunja Voos

[00:16:12] Bei Medizinern ist es oft der Fall, dass sie nicht richtig zuhören. Mit dem Argument: Dafür habe ich keine Zeit. Also das Gespräch wird einfach weniger honoriert als ein Röntgenbild, ein Ultraschallbild und sonst irgendwelche Sachen, die man tut. Und in der Medizin ist man sehr angehalten, etwas zu tun. Oder die Ärzte glauben, sie sind dazu angehalten. Das heißt, die Ärzte haben ein Konzept im Kopf. Und wenn der Patient ein anderes Konzept hat als der Arzt, dann gibt es Konflikte und das Zuhören leidet dann.

Moderator:

Frau Imhof, was haben Sie über die Zuhörfähigkeit von Medizinern herausgefunden?

O-Ton 37: Margarete Imhof (SWR-Archiv: Zuhören ist so wichtig wie sprechen)

(28:20) Die Ärzte sind darin geschult, die Stichworte zu hören, die buzzwords, und wenn der Patient ein, zwei, drei Stichworte genannt hat in seinem ersten Bericht, dann setzt der das zusammen und, na die Ärzte sind ja sehr gut, die haben ja die ganzen Diagnoseraster im Kopf, dann passt das zu denen, dann ist die Diagnose fest.

Moderator:

Hören wir nochmal kurz in das Simulations-Gespräch rein.

Atmo 11: Arzt-Patient-Dialog (auf: 2022.07.07.Simulationspatient -Willi Kühl)

(7:10) Frau: Ja, wie gesagt, es ist schon eine deutliche Rötung und auch sehr viele Gefäße. Das könnte natürlich …. Von dem Infekt sein. Sie haben gemeint, Sie haben auch Schnupfen gehabt. …. Dadurch, dass da so Druck ist, kann es schon sein, dass sich die Keime auch im Ohr festsetzen.

Mann: Aha

Frau: Das geht aber normalerweise von alleine wieder weg. Es ist auch häufig durch Viren bedingt, nicht nur durch Bakterien, weshalb ich jetzt nicht empfehlen würde, gleich Antibiotika zu nehmen. …. Ich würde empfehlen, Schmerzmittel zu nehmen. Ich kann Ihnen auch was aufschreiben.

Mann: Ja, das wäre gut, dass der Schmerz weggeht. (…)

Frau: Und ich würde Sie gerne auch ein paar Tage krankschreiben.

[00:08:45.05] Mann: Wunderbar, ja. (…)

(9:40) Klopfen auf Tisch (…)

Moderatorin:

Herr Kühl, Sie sind Simulationspatient. Sicher haben Sie auch Erfahrung mit tatsächlich praktizierenden Ärzten.

O-Ton 38: Willi Kühl

[00:15:47.21] Weshalb ich das hier als Simulations-Patient mache, mache ich in der Hoffnung, dass durch meinen kleinen Einsatz nachher ein ganz toller Arzt dabei herauskommt. (…) [00:13:28.22] Ganz einfach: zuhören, zuhören. Der Arzt. Ich komme mit zum Arzt, ich habe ein Problem und der Arzt muss mir erst mal zuhören. Was hat der denn? Ja, und daraus kann er dann irgendwas ableiten. Aber (…) im Zeitalter des Computers muss ich sagen, ein Blickkontakt findet selten statt. Er fragt zwar, aber er sitzt am PC und tippt alles ein. Das ist eben (leichtes Lachen) der Lauf der Zeit, die … Entwicklung. Und mit Augenkontakt ist da nicht mehr so viel.

Moderator:

Wie Maxi in der Schule oder Zuhause sind auch Ärzte mitunter abgelenkt. Und die Patienten finden kein Gehör.

Moderatorin:

Herr Kühl. Rebecca Machnik hat vorhin die 150 verschiedene Rollen-Skripte erwähnt. In der Aufnahme, die wir eingespielt haben, hatten sie Ohrenschmerzen. Haben Sie eine Lieblingsrolle? 

O-Ton 39: Willi Kühl

[00:00:50.10] Eine … Rolle beinhaltet das Thema Demenz. Da kommt es darauf an, Überbringen schlechter Nachrichten. Also der Student muss mir eine schlechte Nachricht überbringen. Das heißt, bei einer Untersuchung ist festgestellt worden, dass ich an Demenz erkrankt bin und das muss er mir mitteilen.

Moderatorin:

Frau Machnik, wie vermittelt ein Mediziner so eine ausweglose Diagnose?

O-Ton 40: Rebecca Machnik

[00:33:37.16] Max Frisch hat ein schönes Zitat dazu: Man sollte den anderen die Wahrheit wie einen Mantel hinhalten, in den die Person hineinschlüpfen kann und nicht wie ein Lappen um die Ohren schlagen. Und das ist etwas, was wir unseren Studierenden auch immer mitgeben.

O-Ton 41: Willi Kühl

[00:04:51.15] Am Anfang des Gesprächs, wenn dann gesagt wird, ja, wir haben Untersuchungen gemacht, dann bin ich schon leicht irritiert, weil ich mich gar nicht mehr an diese Untersuchungen erinnern kann. Und wenn dann der Student mir sagt, was ich habe, dann bin ich wie paralysiert. Ich höre gar nicht mehr zu, was er sagt. Ich bin so geschockt, weil in der Geschichte hat meine Mutter auch Demenz gehabt und ist daran gestorben und ich weiß, wie diese Krankheit verläuft. Und er muss mich erst mal wieder zurückholen aus dieser Starre und aus diesem Schock, in dem ich bin.

O-Ton 42: Rebecca Machnik

[00:33:49.12] Es geht gerade in diesem Kontext ganz viel um die richtige Haltung und um Sensibilität. Es geht nicht darum, solche Situationen mit Informationen zu überfrachten, Menschen mit Fachjargon zu erschlagen, gleich sowohl Diagnose, Prognose als auch Therapiemaßnahmen zu besprechen. Sondern erst mal für das Überbringen einer palliativ medizinischen Diagnose sollte das Ziel sein. Ich gebe das dem Patienten so mit, dass das verstehen kann, bestenfalls im Kontext von Menschen, die er gern hat, denen er vertraut oder …  die sie vertrauen kann.

O-Ton 43: Willi Kühl

[00:08:38.05] Ganz wichtig, glaube ich, ist es, nach Überbringung einer schlechten Nachricht dem Patienten Raum zu geben, das zu, zu verdauen. Dieses Schreck, diese schreckliche Diagnose. Damit muss er ja erst mal fertigwerden. (…) [00:10:23.23] Das ist eben die Schwierigkeit, diese Pausen auszuhalten. Das ist ganz schwierig.

Moderatorin:

Meine Damen und Herren, Sie höhen die GANZ OHR! DIE ZUHÖR-SHOW. Damit wir den Überblick behalten. Zum guten Gespräch zwischen Arzt und Patient, haben wir gerade gehört, gehören Wahrheit, Zeit und Raum, mitunter Schweigen, ganz viel Wertschätzung, Übung und Erfahrung.

Moderator:

Dunja Voos, Sie sind Ärztin, Psychotherapeutin und in der Ausbildung zur Psychoanalytikerin. Wie hört eine Psychoanalytikerin zu?

O-Ton 44: Dunja Voos

[00:01:17] In der Psychoanalyse ist es besonders wichtig, dass man das aushält, was die Patienten einem erzählen. Und Voraussetzung dafür ist die eigene Lehranalyse, wo man sich selber sehr gut kennenlernt und eigene Traumata bearbeitet. … Nur weil man den eigenen Schmerz halten kann, dann gelingt es zuzuhören und sich nicht abzulenken von dem, was der Patient sagt. (…) 

[00:02:07.01] Was der Patient ja machen soll, das ist: Er soll frei assoziieren, also sagen, was ihm immer einfällt. Und der Psychoanalytiker macht das Gegenteil. Er macht eine freischwebende Aufmerksamkeit. So nennt sich das. Also, es ist fast ein meditativer Zustand, in dem er sich begibt, und indem er dem Patienten zuhört, ohne das zu werten oder ohne sofort zu reagieren.

Moderator:

Wenn der Patient auf der Couch liegt und Sie hinter ihm sitzen, haben Sie mir vor der Sendung erzählt, haben Sie keinen Augenkontakt, Sie hören nur seinen Atem und sehen, wie sich seine Hände und Beine bewegen.

O-Ton 45: Dunja Voos

[00:04:54.20] Durch dieses offene Zuhören bekommt der Patient das Gefühl, er wird wirklich verstanden. Und dann gibt es so etwas, was in der Analyse Now-Moment genannt wird. Ein Moment der Begegnung, wo sowohl der Analytiker als auch der Patient das Gefühl haben: Hier, hier findet wirklich eine Begegnung statt. (…)  [00:05:35.19] Und das … führt ganz oft zu einem Gefühl von verstanden sein auf beiden Seiten, zu einem Gefühl von tiefer Verbundenheit. Und ich glaube, dass alle Menschen auch ständig danach suchen.

Moderator:

Das kann ich gut nachempfinden, wenn Sie mir ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, bekomme ich das Grundbedürfnis befriedigt, verstanden zu werden. Kann man sagen, dass eine Psychoanalytikerin mit Zuhören Hilfe zur Selbsthilfe leistet, zur Menschwerdung?

O-Ton 46: Dunja Voos

[00:47:18.25] Aus meiner Erfahrung geht es wirklich darum, beziehungsfähig zu werden. (…) [00:47:26.23] Dieses, dieses Glück, das man spüren kann, wenn man wirklich mit anderen Menschen gut zurechtkommt, das erleichtert einem ja das gesamte Leben. Also beruflich, privat, über eine Partnerschaft, Beziehung zu den Kindern. Es geht ja immer um Beziehung und auch im Seelenleben geht es immer um Beziehung. Also ich spreche mit mir, ich kümmere mich um mich, ich pflege mich. Es ist ja immer eine Beziehung.

Moderatorin:

Hören wir mal in eine Talk Show rein, in der sich zwischen zwei Teilnehmern keine Beziehung aufbaut.

Atmo 12: Krone-Schmalz bei Maischberger: „Dann machen Sie ihre Sendung doch allein“. (https://www.youtube.com/watch?v=YXPU8RHFFSw)

(4:01) Krone-Schmalz: Die russischen Interessen jetzt in der Ukraine müssen sein…. Hä, Sie versuchen mich aufs Glatteis zu (Stimmengewirr)

Maischberger: Die russischen Interessen in der Ukraine.

(Stimmengewirr) 

(4:38) Krone-Schmalz: Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier machen können?

Schulz: ich widerspreche Ihnen, Frau … Krone-Schmalz.

Krone-Schmalz: Ja, wenn Sie widersprechen würden, wenn ich zu Ende geredet hätte. (Stimmengewirr) (…)

(6:25) Krone-Schmalz: wo diskutieren wir denn überhaupt hin? Wir haben in der Ukraine Krieg. Wir haben in der Ukraine Tote, wir haben in der Ukraine ….

Schulz: Russischen Aggressionskrieg.

Krone-Schmalz: Nein, keinen russischen Aggressionskrieg. (…)

(6:50) Schulz: Sie haben doch nicht die Wahrheit gepachtet.

Maischberger: Lieber Herr Schulz, liebe Frau Krone-Schmalz….

Krone-Schmalz: Wissen Sie was, machen Sie ihre Sendung doch allein.

Maischberger: Nein, nein, nein, Frau Krone-Schmalz, bleiben Sie bitte sitzen.

Moderatorin:

Unerhört. Die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz und der Grünen-Politiker Werner Schulz sind über das Thema Krieg gegen die Ukraine unterschiedlicher Auffassung. Sie reagieren schwerhörig auf das, was der andere sagt. Unverstanden, wie sie sich fühlt, ist sie kurz davor, die Talk Show zu verlassen.

Moderator:

Thich Nhat Hanh [tʰik ɲɜt hɐʲŋ], der Anfang 2022 verstorbene buddhistische Mönch, Zen-Meister und Friedensaktivist, hat die Macht des Zuhörens erkannt. „Wenn wir tiefes Zuhören praktizieren,“ hat er geschrieben, „können wir dem Menschen, dem wir zuhören, dabei helfen, sich von falschen, leidvollen Vorstellungen zu befreien. … Diese sind die Grundlage unseres Hasses, unserer Angst und unseres Misstrauens. Wir alle müssen tiefes Zuhören … praktizieren. … Diese Arbeit kann nicht durch Bomben, Gewehre und militärische Macht getan werden.“

Moderatorin:

Die Worte wirken zu lassen, hören wir ein wenig Musik.

Musikakzent:

Moderatorin:

Um zu erfahren, wie man zuhört und eine Beziehung aufbaut, haben wir unseren Reporter in Hamburg in den Kurs Hilfreich miteinander sprechen des Beratungs- und Seelsorgezentrums der Hauptkirche St. Petri geschickt.

Moderator:

Angeleitet wurde er von den psychologischen Fachberatern Anne Kowalski und Jan Plasil. Nach dem Vorbild von Carl Rogers. Anne Kowalski, was ist so besonders am Kommunikationsmodell des US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten?

O-Ton 47: Anne Kowalski

[00:06:09.18] Carl Rogers ging davon aus, dass die Lösung für Probleme jeder Mensch in sich trägt und dass es eigentlich darum geht, den Menschen zu begleiten, zu begleiten auf dem Weg, um seine eigene Lösung zu finden. Und da … ist unser Ziel, die Menschen, die Menschen … diese Werkzeuge mitzugeben, um so einen Weg gehen zu können. Und da gibt es, es diese drei Stufen des, wir nennen es „partnerzentrierten-Gesprächs“. Einmal dieses zugewandte Zuhören …., also Zuhören als aktives Zuhören, nicht nur passiv, nur mit den Ohren, sondern mit meinem ganzen Körper.

Moderator:

Unser Reporter hat uns Audiomaterial vom Kurs mitgebracht. In der Situation, die wir gleich anhören, ist er der Zuhörer, eine Teilnehmerin erzählt und eine weitere beobachtet das Geschehen.

Atmo 13: Gespräch (auf: 2022.08.21.St.Petri_31)

[00:00:08.26] Erste Teilnehmerin: Mir ist das in Beruf etwas passiert. … Ich musste mich vorbereiten. Ich brauchte eine Genehmigung für mein Projekt, was mir sehr wichtig war. (… ) Und dann habe ich mal meine Präsentation mit Schwung präsentiert. Ich fühlte mich wohl. Ich hatte Raum. (…) Und dann zu einem bestimmten Punkt, wo in meiner Präsentation zeigen musste, … dass wir für einen bestimmten Stoff alle Verwendungen, die wir haben, in diesem Dossier aufgelistet werden müssen. Und zu diesem Zeitpunkt ist ein neuer Kollege, der eine bedeutende Position frisch bezogen hat, in unserer Firma, hat mich unterbrochen. Ganz schroff und gesagt. „Das glaube ich Ihnen nicht“.

Moderatorin:

Wie in den Talk Shows wird die Rednerin unterbrochen. Wie verhält man sich, wenn man so eine Geschichte hört?

O-Ton 48: Anne Kowalski

[00:09:02.28] Es geht darum, erst mal so eine Bewusstheit zu entwickeln. … Ich möchte vom anderen was erfahren und dann auch mit meiner ganzen Aufmerksamkeit bei dem anderen zu sein und mein Eigenes erst mal zurückstellen zu können. Das bedeutet aber nicht, mich zu verlieren, sondern zurückzustellen. Ich bin trotzdem so, wie ich bin. Aber ich, ich konzentriere mich und ja, ich habe meinen Fokus auf dem anderen.

Regie: Moderator über vorherigen O-Ton legen.

Moderator:

Ob der Mann bei der Präsentation dem Motto gefolgt ist, Frechheit siegt, frage ich mich. Während Anne Kowalski spricht, stelle ich fest, ertönt mein eigener Gedankentext und legt sich über das, was sie sagt.

Moderatorin:

Was passiert hier? Mein Kollege hat nicht zugehört. Er hört nicht, weil sein innerer Text so laut ist. Dabei hätte er von Anne Kowalski hören können, wie er sich verhalten könnte. Verzeihen Sie, Frau Kowalski, wiederholen Sie bitte, was Sie gesagt haben.

O-Ton 48: Anne Kowalski

[00:09:02.28] Es geht darum, erst mal so eine Bewusstheit zu entwickeln. … Ich möchte vom anderen was erfahren und dann auch mit meiner ganzen Aufmerksamkeit bei dem anderen zu sein und mein Eigenes erst mal zurückstellen zu können. Das bedeutet aber nicht, mich zu verlieren, sondern zurückzustellen. Ich bin trotzdem so, wie ich bin. Aber ich, ich konzentriere mich und ja, ich habe meinen Fokus auf dem anderen.

Moderatorin:

Sie haben gesagt, das partnerzentrierte Gespräch sei in drei Stufen eingeteilt. Nach dem Zuhören, wie lauten die nächsten Stufen?

O-Ton 49: Anne Kowalski

Das zweite wäre dieses Paraphrasieren, Zuhören und Wiederholen, was mein Gegenüber mir erzählt hat, um auch so ein Verständnis zu vermitteln. Ich hab’s verstanden, was du mir mitteilen wolltest. Und die dritte Stufe ist dieses Emotionen verbalisieren oder ansprechen oder ja, das Fühlen oder Bewusstmachen von Emotionen. [01:24:15]

Moderator:

Regie, spielt bitte den Mitschnitt ab.

Atmo 14: Gespräch (auf: 2022.08.21.St.Petri_31)

[00:01:36.22] Autor: Also, du hast Meeting gehabt. Eine Präsentation. (…) Und dir ist völlig unerwartet. Und auch zum Ersten Mal, wie ich das höre, Widerspruch gekommen. Und nicht nur Widerspruch, sondern wahrscheinlich ist das …  auch im Berufsleben eine nicht gängige Praxis, dass man unterbrochen wird, Präsentationen und dann sogar die, die Kompetenz angezweifelt wird. (…)

[00:02:24.03] Erste Teilnehmerin: Genau so. (…) Und ich konnte gar nicht verstehen, wie man … eine Sache, die eigentlich professionell ablaufen sollte, wie man so eine abrupte, schroffe Unterbrechung, womit ist das zu vereinbaren? Das hat mich vollkommen aus der Bahn geworfen. Ich hatte einen Moment, ich musste eine Pause für mich einlegen. Ich guckte mich um. Ich wusste nicht genau, wie ich das reagieren soll. Ich kannte die Person nicht, ich wurde unsicher und dann habe ich bestimmt eine Minute nichts gesagt. (…) das ist mir bis dahin noch nie passiert. (…)

[00:03:37.09] Autor: Also ja, diese, dieser Mann, (…) Er hat dich völlig aus dem Konzept gebracht und sogar so schlimm, dass du eine Blockade … Blockade hattest und dann nicht weiter wusstest.

[00:04:01.28] Erste Teilnehmerin: Richtig. Ja, so war es. Anschließend, nach einer Minute, habe ich mich wieder gefangen. Ich konnte darstellen, das, was ich gesagt habe, Hand und Fuß hat. …Und habe ich dann alles zu Ende geführt. Allerdings habe ich total an Schwung verloren. Die ganze positive Ausstrahlung, die Sicherheit, die Lautstärke, die Körperhaltung, das war alles futsch. … Anschließend habe ich doch ein positives, eine positive Antwort bekommen. Es wurde doch genehmigt, was ich da haben wollte. (…)

[00:06:07.08] Autor: … Einmal ist dein Selbstbild, das du von dir hast, hat, ist erschüttert worden oder hat Kratzer bekommen, wie du dich selbst eingeschätzt hast. Aber auch, ich höre einen Erfolg letztendlich, warst du erfolgreich auch in der Präsentation. schlecht, wie sie lief für dich. (…) Ich höre noch eine… Was soll ich sagen? Eine Verletzung, … und eine Kränkung. Und auch eine Traurigkeit. Raus.

[00:06:59.13] Erste Teilnehmerin: Also, ich war damals bestimmt gekränkt. Ich habe das persönlich genommen und ich fühlte mich in meiner Kompetenz gekränkt. Das ist richtig. Traurig? Ich glaube nicht, dass das Traurigkeit war. Es war das Gefühl, ich muss jetzt unbedingt etwas machen, damit in, in Konfliktsituationen besser und stabiler gehen. Und dann habe ich damals angefangen, diese psychologische Ausbildung zu machen, um mit mir besser umgehen zu können. Und das war vor sieben Jahre und das hat, das war der richtige Weg, (…) an sich selbst zu arbeiten und Methode zu finden, um genau, wann Probleme sind und Sachen, die unbehaglich sind. Genau darauf kommt es an, dort muss man ja. Dort muss man aktiv sein. (Leichtes Lachen) (…)

[00:13:46.11] Zweite Teilnehmerin: Hast du dich gut verstanden gefühlt.

[00:13:49.25] Erste Teilnehmerin: Ja, absolut. Absolut. Sehr gut verstanden. Und sehr gute, sehr gute Fragen. Auch gut … paraphrasiert und auch die Intervalle zum Unterbrechen waren stimmig. Hast mich nicht zu lange sprechen lassen. Und auch nicht zu wenig. (Im Hg. Stimmen) Und dann hast du von mir auch viel rausgeholt, was ich eigentlich gar nicht erzählen wollte. Ja, also du hast mich geöffnet. Es ist dir gelungen mal, was aus mir rauszukitzeln. Alles sehr schön.(…)

[00:15:23.01] [00:15:23.01] Zweite Teilnehmerin: Ich fand, … Sie hat sich auch gut verstanden gefühlt. Das kam bei mir auch so an, dass ihr da einen sehr guten Draht miteinander hattet.

Atmo 1: Applaus (aus Retorte)

O-Ton 50: Anne Kowalski

[00:20:18.25] Ein ganz, ganz wesentliches Bedürfnis der Menschen ist, wahrgenommen zu werden. Also wenn jemand spürt, er wird wahrgenommen, dann macht es was mit ihm. (…) Da gibt es eine tiefe Verbundenheit, wenn ich mich wahrgenommen fühle.  Und ich glaube, dass dieses aktive Zuhören ist ein wesentlicher Punkt auch, um dem anderen so und so zu vermitteln: Ich nehme dich wahr, ich nehme dich ernst.

Moderator:

Auf dem Mitschnitt ist nicht zu überhören: Im Großen und Ganzen ist unserem Reporter gelungen, seinem Gegenüber Gehör zu schenken und Resonanzkörper zu sein.

Moderatorin:

Durch die emphatische Haltung, die er im Kurs gelernt hat, konnte er ganz Ohr sein und eine Verbindung mit der Teilnehmerin herstellen.

Moderator:

Oh, ich sehe gerade, unsere Sendezeit ist gleich um. Im Laufe unserer Zuhör-Show haben wir ja gelernt: Zum Zuhören braucht man Zeit. Machen wir zum Schluss noch eine kurze Fragerunde. Was macht für Sie ein gutes Gespräch aus? Wer beginnt? Sie, Dennis Chan.

O-Ton 51: Dennis Chan

[01:16:34] Ich glaube, dass ein gutes Gespräch ausmacht, dass es immer einen Sender und Empfänger geben muss, aber dass die Rolle des Senders und Empfänger immer in Rotation sein muss, (…) [01:16:58.27] dass wir das immer rollierend haben, dass du eigentlich Sender und Empfänger in einer Person bist und beide, beide Dinge halt irgendwie beherrschen kannst.

Moderator:

Der Dialog erfordert Wechselseitigkeit. Sprechende und Zuhörende öffnen sich vertrauensvoll füreinander. Bitte, Dunja Voos:

O-Ton 52: Dunja Voos

[01:02:50] …. Als ich jung war, war ein gutes Gespräch, das Gefühl von Gleichheit zu haben. Wir sind einer Meinung, wir verstehen uns, es gibt keine Differenzen mehr. … Inzwischen denke ich, das ist etwas Unbewusstes. Also ich kann durchaus eine hitzige Diskussion haben oder starke Differenzen erleben. Aber wenn ich das Gefühl habe, wir sind beide neugierig aufeinander oder es gibt eine gefühlsmäßige Ebene, die ein Wohlgefühl hervorruft, dann empfinde ich das als ein gutes Gespräch.

Moderatorin:

Das ist beim Dialog die Herausforderung, gegensätzliche Standpunkte zu akzeptieren. Nicht darauf zu bestehen, es besser zu wissen und Recht zu haben. Frau Imhof, hat das Zuhören somit eine politische Dimension?

O-Ton 53: Margarete Imhof (SWR-Archiv: Zuhören ist so wichtig wie sprechen)

(35:37) Natürlich braucht Demokratie Zuhören, Demokratie baucht Empathie, Demokratie braucht das Verständnis für die verschiedenen Perspektiven.  (…) Und ein Verständnis davon, wie man angesichts der verschiedenen Perspektiven lösungsorientiert etwas aushandelt. Das ist Zuhören. Und Zuhören heißt nicht, ich sag dir, wir es geht und dann machst du das.

Moderator:

Bei Konflikten wie zwischen Rad- und Autofahrern, zwischen Rauchern und Nichtrauchern, zwischen Geimpften und Ungeimpften gibt es oftmals keinen Kompromiss. Aber die Worte des Gegenüber müssen nicht unerhört bleiben. Es ist möglich, die Unterschiede zu betrachten und Respekt für die Bedürfnisse des anderen zu entwickeln.

O-Ton 54: Dennis Chan

[01:20:42.15] Gelungene Gespräche sind halt nicht direkt danach mit einem etwas, was man rauszieht, sondern gelungene Gespräche führen dazu, dass man in der Gänze sich in Zukunft weiterentwickelt.

Moderatorin:

Wir müssen jetzt aufhören. Danke, dass Sie alle dabei waren und zugehört haben. 

Atmo 1: Applaus

Moderator:

Bleiben Sie dran, es folgt….

Regie: Stimme Moderator geht im Applaus und in der Musik unter.

Musikakzent, wie zu Beginn die Erkennungsmelodie

Abspann: GANZ OHR! DIE ZUHÖR-SHOW

Sendetermine: xxxxx

(c) Egon Koch