Operationen
Exposé zum Roman
Geschrieben 2007 in Hamburg
Der Roman „Operationen“ erzählt von der Lebenskrise eines 43-jährigen Mannes. Walker ist erfolgreich und erfolglos zugleich, sowohl beruflich als auch privat.
Als Leiter des Kulturinstituts in São Paulo organisiert er Lesungen oder Theateraufführungen. Er kommt mit Schriftstellern ins Gespräch, aber mit seinem eigenen literarischen Schaffen ist er in der Welt der Literatur ein Namenloser. Privat steckt er mitten in einem Generationswechsel. Er ist Vater eines zweijährigen, sich stetig wandelnden Jungen. Während er sich um das Kind kümmert, lebt seine eigene Kindheit auf dem Binnenschiff „Rimbaud“ und seine Jugend im Heimatort am Oberrhein wieder auf. Gleichzeitig bedeutet die Verantwortung für den Jungen, sein Vater-Sein, jedoch auch das Ende des eigenen Kind-Seins. Die Vaterschaft entzweit ihn gleichfalls von seiner Frau. Seit der Geburt des Jungen, seit sie Mutter und er Vater ist, haben sie sich entfremdet.
In diesen Lebensumständen schleicht sich in Form der Krankheit Krebs eine Lebenskrise ein. „Irgendwo im Bauch, bei der Darm- oder Magengegend ist ein Organ unheilbar befallen,“ sagt er.
Der Titel „Operationen“ kann als Programm des Romans gelesen werden: Einerseits handelt es sich um Eingriffe in den Körper des Protagonisten Walker zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken, Eingriffe, bei denen er dem Tod nahe kommt. Zum anderen bezeichnet er die geistigen Handlungen des Schreibens. Mit der Teilnahme an einem Kurs für Kreatives Schreiben unternimmt Walker den Versuch, aus der Krise zu finden und auf eine höhere Entwicklungsstufe zu kommen.
Je weniger sich zwischen Walker und seiner Frau bewegt, ihr bisheriger Weg nicht mehr weiter geht, desto mehr spielt er das Spiel der Literatur. Er schickt seine Figuren auf imaginäre Schiffsreisen. Eine nach Paris auf das Hausboot „Baudelaire“, auf der sie die Bewegungen der Liebe wiederholt. Eine andere auf das Forschungsschiff „Voltaire“, womit Walker in einer Langzeitdokumentation der Schifffahrt die von Fluss und Meer bedingten Begebenheiten aufzeichnet, auf die sich Menschen zu verhalten haben. Die Figur erfährt Stürme und Flauten als Sinnbilder des Lebens, ebenso die Selbsterkenntnis, ein Gegenstand in reißender Flut zu sein. All die Fahrten folgen dem einen Ziel, die Herausforderungen des Lebens zu bestehen und eines Tages den heimatlichen Hafen anzulaufen.
Bei all dem lebt Walker in São Paulo. Der Ort des Haupthandlungsstrangs ist nicht zufällig gewählt: In Brasilien dominiert das Spielerische. In der Megastadt wohnt er gegenüber einem Berg, der, analog zu Paul Cézannes Montagne Sainte-Victoire, für die Heimat steht. Der Berg, der durch seine blaue Farbe fern und zugleich nah wirkt, fordert ihn geradezu heraus, wie ein Spiegel, sich seines Dasein zu vergewissern.
In seiner Krise, auf der Suche nach der richtigen Lebenshaltung, haben weder das Positive noch das Negative Bestand, nach einiger Zeit bricht beides zusammen.
Auf dem Höhepunkt kommt heraus, dass nicht die Doppelbelastung mit Arbeit und Kind der Grund seiner Krankheit ist, sondern seine Erfolglosigkeit als Schriftsteller. Hier spricht ein Arzt zu Walker von drei Möglichkeiten: „Entweder du kämpfst, entweder du liebst oder du gibst auf. Das ist durchaus eine Möglichkeit, aufzugeben und dich selbst zu töten.“ Der Arzt macht aus der Frage nach der Qualität von Walkers Texten eine Frage auf Leben und Tod. Walker will nicht freiwillig abtreten, für die Liebe aber fühlt er sich nicht alt und weise genug. Also entscheidet er sich am Schluss dazu, zu kämpfen und weiter zu schreiben. Und erhält ein Stipendium für Lissabon. Am Ende setzt sich die Poesie gegen die Apparatemedizin als Heilmittel durch.
Für den Autor ist Literatur nicht nur ein Spiel mit Figuren, auch ein Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit. Wer also schreibt im Roman Operationen die Geschichte Walkers? Parallel zu seiner Krise macht Sabine Winkler, Hörfunk-Redakteurin und Freundin von Walker, ein Radiofeature über einen alternden Fußballstar. Womöglich stellt sie damit Walkers Geschichte in verfremdeter Form dar? Oder gar der Ich-Erzähler, der eingangs von einem Fremden nach São Paulo geschickt wird, um Walkers hallizogene Texte zu ordnen? Oder ereignet sich letztlich alles doch in einem Film, den sich ein Paar im Fernsehen anschaut?
Der gesamte Roman umfasst ca. 200 Seiten.