Das Begräbnis meiner Mutter Info-Literatur

Das Begräbnis meiner Mutter

Exposé zur Erzählung

Geschrieben 1996 in Hamburg
 
Das Begräbnis einer Mutter ist der Versuch des Ich-Erzählers, mit dem literarischen und spielerischen Mittel der Wiederholung (obwohl es sich um Vergangenheit handelt, ist es Zukünftiges) den Tod seiner Mutter zu verarbeiten, sie auf seine Art zu beerdigen. Im Laufe seiner Trauerarbeit nimmt er nicht nur Abschied von Mutter, sondern auch vom (noch lebenden) Vater, von Elternhaus, vom Kindsein. Die tiefgreifende Krise stellt sich mehr und mehr als Prozess der Erneuerung dar, aus dem der Protagonist gestärkt hervorgeht.

Auf einem Spaziergang durch den Park, als er aus der Vergangenheit tritt und die Zukunft vor ihm liegt, wird der Ich-Erzähler jäh mit Tod, Abwesenheit und Verlust der Mutter konfrontiert. Kraft seiner Phantasie erhebt sich die Tote von ihrem Lager. Fortan durchläuft er abermals Stationen ihrer Krankheit, ihres Sterbens und Todes. Sein Weg kreuzt sich immer wieder mit dem letzten Weg der Mutter. Die Sterbende bietet Projektionsflächen seiner eigenen Sterbensangst. Bis sie zuletzt den Weg geht, den wir alle einmal gehen müssen und er soweit ist, Abstand von der Toten zu gewinnen.

Auf einer zweiten Ebene ist die Erzählung eine Parabel auf unsere Gesellschaft, in der Sterben, Tod und Trauer abgesondert sind. Im Verlangen, nach dem Tod der Mutter wieder sein ureigenstes Leben zu leben, wird der Ich-Erzähler gewaltsam in die Geiselhaft der Trauerarbeit genommen und in völliger Fremde isoliert. Nach Monaten einsamer Auseinandersetzung mit Eltern, Familie und Herkunft (er ist in eine Zeit eingetaucht, in der alles so schwer wie in Kindheit und Jugend ist) kommt er frei. Mit einem Buch, das er in Geiselhaft schrieb. Kurz in Freiheit wird sein anderes Ich erschossen. Vom Geiselnehmer. Der verschafft sich mit dem Mord die endgültige Sicherheit, nicht angeklagt und bestraft zu werden, unbescholten seine namenlose Existenz weiterzuführen, wie der Vater während Sterben und Tod seiner Frau Gespräch und Auseinandersetzung mit seinem Sohn ablehnt, durch Ignoranz das Verhältnis tötet. Die Ähnlichkeit von Geiselnehmer und Vater ist beabsichtigt. Beide fühlen sich im Recht gegenüber dem Störenfried.

Der Versuch des Sohnes, den letzten Willen der Mutter zu erfüllen und mit seinem Vater zu sprechen, bildet gleichwohl ein Hauptstrang der Erzählung. Wenn das auch ein Ding der Unmöglichkeit ist, zuletzt nur Unverständnis und Schweigen zwischen beiden herrscht, die Kindheit verloren ist, so hat sich der Ich-Erzähler doch von seinem Vater emanzipiert.

Die verschiedenen Zeitebenen sind in der Erzählung einheitlich verdichtet. Die Zeitgleichheit im Ungleichzeitigen entspricht dem Thema von Sterben, Tod und Trauer, hier, im Verlauf der größten menschlichen Krise, ist man der Ewigkeit gegenüber.

Aus allen Szenen und Episoden setzt sich, wie ein Flickwerk, das Bild einer Familie und zugleich das Selbstporträt des Ich-Erzählers zusammen.

Ca. 120 Seiten